Die aristotelische Physik als apodiktische Wissenschaft

Ohne Zweifel versuchte Aristoteles seine Physik gemäß dem Wissenschaftsmodell zu entwerfen, wie er es in der Zweiten Analytik dargelegt hat.

Sein Ziel ist kein wahrscheinliches oder hypothetisches Wissen, sondern ein unumstößlich wahres Wissen. Dazu müssen zunächst Grundsätze gefunden werden, die der Vernunft evident sind und das Wesen des Gegenstands der Wissenschaft trifft[1]. Alles Weitere wird dann logisch aus diesen Grundsätzen abgeleitet. Um diese Grundsätze zu erkennen oder anderen plausibel zu machen, muss man den Weg der Induktion (Epagoge) gehen. Das heißt, man sieht sich ein paar Beispiele an und versucht darin das allgemeingültige Wesentliche zu erkennen. Sofern die Methodologie korrekt eingehalten wird, also sowohl die Induktion als auch die Deduktion korrekt gemacht werden, dann ist eine empirische Überprüfung der so gewonnenen Theorie anhand von Erfahrungstatsachen unnötig.

Hier ein zentraler Grundsatz der aristotelischen Physik:

Grundsatz[2]:

Die natürlichen Gegenstände unterliegen entweder alle oder zum Teil dem Wandel (Kinesis).

Unmittelbar nach der Textstelle, an der Aristoteles diesen Grundsatz aufstellt, schreibt er ausdrücklich, dass diese Erkenntnis durch Induktion zu erlangen ist. Das heißt, dass man von einer Einzelerscheinung erkannt hat, dass sie irgendwie mit Wandel zu tun, dann mit dasselbe mit der nächsten, usw. Schließlich kommt es zu einer vernünftigen Wesensschau und man weiß, dass alle natürlichen Dinge irgendwie mit Wandel zu tun haben.

Bemerkenswert, dass die obige Kinesis-Definition für Aristoteles offenbar den Status eines Grundsatzes hat. Denn nachdem er diese Bewegung definiert hat schreibt er: „Dass der Bewegungsbegriff dieses besagt, wird aus Folgendem klar: …“ Und dann gibt er eine Reihe von konkreten Beobachtungen, die diese Definition rechtfertigen sollen. Offenbar handelt es sich auch hier um eine Induktion, die mittels Vernunfteinsicht zu einer Wesensschau führen soll. Nachfolgend noch weitere Grundsätze der aristotelischen Physik (siehe auch Kap 7 Physik):

Weitere Grundsätze der aristotelischen Physik:

  •  Jede Bewegung ist an eine Substanz gebunden[3].
  • Bewegungen verlaufen von einem Zustand zum entgegengesetzten Zustand.
  • Alles, was sich bewegt, wir von etwas bewegt[4].
  • Nichts kann aus Nichts entstehen[5].

[1] Siehe Flashar [23], S. 274.

[2] Aristoteles Physik, 185a12

[3] Aristoteles Met. XII 7, 1072 a 23, sowie Physik I 6, 189a22-b19

[4] Aristoteles Met. XII 8 1073 a 26.

[5] Aristoteles Physik 190 b 1

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