Biographie
Etwa im Alter von 16 begann ich, mich für Philosophie zu interessieren. Ich las wie ein Verrückter Werke von Platon, Kant, Hegel, Schopenhauer, Nietzsche, Wittgenstein und anderen. Dafür vernachlässigte ich fast die Schule. Als ich dann endlich mein Abitur hatte, konnte ich es kaum erwarten, Philosophie an der Universität zu studieren.
Aus irgendeinem Grund, der mir bis heute noch nicht ganz klar ist, entschloss ich mich aber, neben Philosophie auch noch Mathematik zu belegen. Ich schrieb mich also 1986 in diesen beiden Fächern bei der LMU München ein. Paradoxerweise brachte mir von Anfang an das Philosophiestudium keine Freude, wohingegen mich die Mathematik richtig begeisterte. Ich merkte, dass Mathematik in der Schule und an der Universität zwei paar Stiefel sind.
An der Mathematik faszinierte mich, was manchen vielleicht überraschen wird, vor allem die Kreativität. Dem mathematischen Denken sind im Prinzip keine Grenzen gesetzt, es muss eben widerspruchsfrei und schlüssig sein, aber ansonsten kann man sich Welten erfinden, wie man will. Außerdem geht es bei der Mathematik sehr häufig um Schönheit. Es gibt Beweise, die erst einmal das leisten, was sie tun sollen: einen mathematischen Sachverhalt herzuleiten. Aber manchmal sind sie umständlich und irgendwie „unschön“. Dann beginnen Mathematiker so lange daran herumzumachen, bis der Beweis „schön“ geworden ist. Ich weiß nicht, wie ich diese Schönheit beschreiben soll. Es handelt es sich um eine Art intellektuelle Schönheit. Vielleicht, wer sich mit Schach auskennt, wie eine Partie Schach mit unglaublichen, beeindruckenden Spielzügen.
Bei den Philosophen hatte ich oft das Gefühl „jeder gegen jeden“. Da werden bestimmte Positionen vertreten in einer Sprache, die schon der nächste nicht mehr versteht. So mein Eindruck. Und nicht selten wurde persönlich, letztlich unsachlich und polemisch gestritten. Vielleicht hatte ich einfach auch nur Pech und möglicherweise geht es in philosophischen Lehrstühlen anderer Universitäten anders zu. Dazu im Gegensatz erlebte ich fachliche Auseinandersetzungen in der Mathematik immer als äußerst sachlich, immer daran orientiert, Probleme gemeinsam zu lösen. Wenn man etwas nicht verstanden hatte oder einen Fehler gemacht hat, dann wurde das vollkommen unumwunden zugegeben, und zwar auch von wirklich renommierten Professoren einfachen Studenten gegenüber. Polemik oder persönliche Anfeindungen habe ich bei den Mathematikern nicht ein Mal erlebt, sondern immer eine Grundeinstellung des höflichen Umgangs miteinander.
So war ich alles in allem enttäuscht vom Philosophie-Studium, brachte es aber dennoch mit einer Promotion zu Ende. Mein Thema war Platon und heute halte ich nicht mehr besonders viel davon, was ich damals geschrieben habe.
Auch in der Mathematik promovierte ich und arbeitete eine Zeitlang am Lehrstuhl für Informatik als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Danach schlug ich meinen beruflichen Lebensweg in einem ganz anderen Bereich ein: Geldanlage und Finanzen. Aber das ist ein anderes Thema.
Von der Philosophie hatte ich jedenfalls erst einmal, wie man so sagt, die Schnauze voll. Mich interessierten alle möglichen andere Dinge. Nur hin und wieder schlug ich ein philosophisches Buch auf. Jetzt im Nachhinein habe ich das Gefühl, dass sich wahrscheinlich mein Unterbewusstes weiter mit Platon, Aristoteles, etc. beschäftigte. All das, was ich von Jugend an gelesen hatte, arbeitete irgendwie in mir weiter, ordnete sich neu und nahm andere Formen an.
Irgendwann vor ein paar Jahren buchte ich einen Segeltörn in der Ägäis. Start Athen mit Zielgebiet Kykladen. Es war ein wunderschöner Urlaub. Die Crew kannte sich vorher nicht. Einer meiner Mitsegler hieß Helmut. Und nachdem er erfahren hatte, dass ich Philosophie studiert hatte, löcherte er mich ständig mit Fragen wie: „Warum ist ausgerechnet in Griechenland die Philosophie entstanden?“, „Was genau dachte Platon?“, „Was motivierte Sokrates zu seinem Lebensweg?“ etc.
All diese Fragen und Gespräche mit Helmut motivierten mich dazu, mich wieder mit antiker Philosophie zu beschäftigen. Ich besorgte mir das Buch von Manuel Knoll „Antike griechische Philosophie“. Und beim Lesen, gerade der Passagen über die Eleaten, kam mir die Idee, dass es doch viele Ähnlichkeiten gibt zwischen den philosophischen Lehren des Parmenides und Platons auf der einen Seite und der antiken Mathematik auf der anderen Seite. Ich begann damit, mich systematisch damit zu beschäftigen. Worin bestehen meiner Meinung nach genau die Parallelen? Wie kann ich diese vage Intuition präzisieren? Ich vertiefte das Thema, indem ich mir weitere Sekundärliteratur zur antiken Mathematik und Philosophie besorgte. Was mir auffiel, war die anti-empiristische Grundhaltung, sowie die Hochschätzung logisch-rationaler Argumentationen. Das ist offensichtlich so bei den Eleaten und auch bei Platon. Das sind aber auch definitiv Merkmale der Mathematik.
Dann bemerkte ich, dass selbst die Sophisten eigentlich etwas Anti-Empiristisches hatten und auch sie schätzten das rationale Argumentieren sehr hoch ein. Dann wendete ich mich Aristoteles zu, hier vor allem der Zweiten Analytik. In diesem Werk nennt Aristoteles die Mathematik unentwegt als das große wissenschaftliche Vorbild. Und auch bei Aristoteles wird, recht besehen, das rationale Argument höher bewertet als die Empirie. So zieht sich das durch die ganze Antike. Ich hatte ja zunächst gedacht, dass möglicherweise bei Epikur oder der Stoa eine Wendung mehr in Richtung Empirie und sinnlicher Wahrnehmung stattfindet. Aber auch das konnte ich nicht feststellen.
Nun ist es ja offensichtlich, dass wir heute in einer Welt leben, in der Erfahrungstatsachen höher geschätzt werden als rationale Beweise. Die Argumentation eines Parmenides oder eines Zenons, dass es die normale Wirklichkeit oder Bewegung nicht geben könne, erscheint uns heutzutage, gelinde gesprochen, absurd. Man sieht doch, dass es Bewegung gibt, Und wenn ich das sehe, kann mich kein logischer Beweis vom Gegenteil überzeugen. So spricht heute doch fast jeder.
Irgendwann musste also die Hochschätzung der Ratio mitsamt der Geringschätzung der Empirie ins Gegenteil umgeschlagen sein. Nur wann genau war das? Meine erste Vermutung war, dass das bei Galilei geschah, als die Grundsteine für die moderne Physik gelegt wurden. Als ich mich dann genauer mit Galilei und auch mit Newton beschäftigte, war ich überrascht, dass keine Rede davon sein kann. Stattdessen ist selbst bei ihnen noch eine, ich möchte es wirklich so nennen, anti-empiristische Grundhaltung und Hochschätzung der rationalen Theorie erkennbar.
Wann aber entstand nun unser heutiges Wissenschaftsmodell, das erstens vor allem auf Erfahrungstatsachen setzt und zweitens Wissenschaft immer als hypothetisch versteht? Die faszinierende Antwort lautet: Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Also eigentlich relativ spät.
Und weil ich inzwischen so in Schwung war, stürzte ich mich gleich auch noch auf Philosophen wie Frege, Russell, Wittgenstein, Carnap und andere Philosophen des 20. Jahrhunderts.
Ich habe also eine Art Rundumschlag in der Philosophiegeschichte veranstaltet. An einem bestimmten Punkt dachte ich mir, dass es eigentlich schade wäre, wenn meine Arbeiten einfach in den elektronischen Ordnern meines Laptops versauern würden. Vielleicht helfen meine Ideen ja auch anderen dabei, ihre Sicht auf philosophische Themen zu vertiefen. Ich beschloss also meine Gedanken zu veröffentlichen. Und zwar möglichst frei und gut zugänglich in Form eines Weblogs.
Dabei geht es mir nicht darum, andere davon zu überzeugen, dass meine Ansichten richtig sind. Möglicherweise sind sie es ja nicht, und ich gehe fast davon aus, dass ich einige Punkte entweder falsch sehe oder ungeschickt darstelle. Wer liegt schon bei allem richtig? Ich will niemanden belehren, ich will mich auch mit niemanden streiten. Mir ging es zunächst einfach darum, erstens für mich Dinge zu klären und zu verstehen, sowie zweitens, jeden, der will, daran teilhaben zu lassen. Ich werte es als Vorteil, dass ich mit dem Schreiben über Philosophie nichts erreichen oder bezwecken will. Wenn mich und meine Gedanken jemand zur Kenntnis nimmt, dann freue ich mich darüber. Ich freue mich noch mehr, wenn man mit mir in einen konstruktiven, höflichen, sachorientierten Ideenaustausch tritt. Und am meisten würde ich mich freuen, wenn tatsächlich der eine oder andere das, was ich geschrieben habe, für erhellend findet.