Aristoteles: Syllogismen und formales Schließen

In der Ersten Analytik macht sich Aristoteles systematisch und gründlich Gedanken über die formale Struktur des richtigen Schließens.

Die hier behandelten Syllogismen galten über mehr als 2000 Jahre als Inbegriff der Logik überhaupt und auch heute haben sie noch Gültigkeit. Hier als Beispiele alle Syllogismen der sogenannten ersten Figur[1]:

Schema Beispiel Mengentheoretisch
(1)

 

Alle M sind P
Alle S sind M
Also: Alle S sind P
Alle Rechtecke sind Vierecke
Alle Quadrate sind Rechtecke
Also: Alle Quadrate sind Vierecke
(2)

 

Kein M ist P
Alle S sind M
Also: Kein S ist P
Kein Rechteck ist ein Kreis
Alle Quadrate sind Rechtecke
Also: Kein Quadrat ist ein Kreis
(3)

 

Alle M sind P
Kein S ist M
=> Kein Schluss möglich
(4)

 

Einige M sind P
Kein S ist M
=> Kein Schluss möglich
(5)

 

Alle M sind P
Einige S sind M
Also: Einige S sind P
Alle Quadrate sind Rechtecke
Einige Vielecke sind Quadrate
Also: Einige Vielecke sind Rechtecke
(6)

 

Kein M ist P
Einige S sind M
Also: Einige S sind nicht P
Kein Quadrat ist ein Kreis
Einige Rechtecke sind Quadrate
Also: Einige Rechtecke sind keine Kreise
(7) Einige M sind nicht P
Alle S sind M
=> Kein Schluss möglich
Es gibt noch neun weitere Kombinationen, die aber allesamt keine gültigen Schlüsse erlauben.

Neben den genannten Syllogismen der ersten Figur zählt er noch weitere Syllogismen der zweiten und dritten Figur auf. Ich halte es für wichtig, dass Aristoteles nicht nur diejenigen Schlussformen aufzählt, die zu gültigen Ableitungen führen, sondern auch solche Kombinationen, bei denen keine gültigen Schlüsse möglich sind. Denn so kann man schon anhand der Struktur einer Schlusskette erkennen, dass es sich um einen Fehlschluss handeln muss. Nehmen wir folgendes Beispiel:

Einige Menschen sind nicht reich.
Alle Griechen sind Menschen.
Also: Einige Griechen sind nicht reich.

Das ist ein Schluss, der auf die Schnelle richtig erscheinen mag. Erkennt man aber, dass dieser Schluss die Struktur (7) hat, dann weiß man sofort, dass es sich um einen Fehlschluss handeln muss.

Auf diese Weise, denke ich, haben viele logische Schriften bei Aristoteles, vor allem den negativen Zweck, Fehlschlüsse zu erkennen und abwehren zu können.

[1] Aristoteles, Erste Analytik, Viertes Kapitel, ab 25b. Siehe auch Flashar [23], S. 329 ff.

2 Kommentare
  1. Thinking sagte:

    Hat Aristoteles auch zum Paradoxon des Epimenides Stellung genommen?
    “Epimenides der Kreter sagte: Alle Kreter sind Lügner”

    Antworten
    • peterreins sagte:

      Meines Wissens nicht. Diese Art von Paradoxien werden später etwa um 1900 eine große Rolle spielen. Frege gilt ja als Erfinder der modernen mathematischen Logik, der erste wirklich große Fortschritt in der Logik seit Aristoteles. Unglücklicherweise war sein logisches System inkonsistent, was Bertrand Russell herausfand und Frege in einem (deutsch geschriebenen) Brief 1902 mitteilte. Für Frege brach damals sein Lebenswerk zusammen. Im Kern ist die Russellsche Antinomie dem Kreter-Paradoxon sehr ähnlich.
      Interessant ist aber auch, dass ein paar Jahre vorher Cantor mit einem dem Kreter-Paradoxon ähnlichen Argument beweisen konnte, dass die Mächtigkeit der Potenzmenge einer Menge M immer echt größer als die Mächtigkeit der Menge selbst ist. Ich möchte darauf etwas später hier in diesem Weblog genau auf diese Dinge eingehen. Nur noch eine letzte Bemerkung. Der erwähnte Beweis von Cantor ist auch deswegen philosophisch sehr interessant, weil Cantor so zu der Vorstellung gekommen ist, dass es verschiedene Arten der Unendlichkeit gibt. Aber wie gesagt, dazu etwas später.
      Doch noch ein kleiner Nachtrag. Gödel hat 1931 den sog. Unvollständigkeitssatz bewiesen. Darin beweist er, dass es wahre mathematische Aussagen gibt, die nicht beweisbar sind. Um dies zu zeigen, konstruiert Gödel eine Aussage, die von sich selbst sagt, dass sie nicht herleitbar ist. Auch dies erinnert an das Lügner-Paradoxon.

      Antworten

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