Aristoteles: Motivation der logischen Schriften

Ohne Zweifel glaubte Aristoteles an das rational-logischen Argumentieren, aber er sah, dass es bereits oft genug nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt hat. Daher musste dieses Werkzeug so perfektioniert und optimiert werden, dass es künftig wie gewünscht funktioniert.

Ernst Kapp vertritt in [Kapp1] die These, dass die Logik ihren Ursprung in einer dialektischen Wett­kampf­situation hatte, wie sie Platon und Aristoteles ihre Schüler zu Trainingszwecken ausführen ließen. So sieht er die Topik von Aristoteles als die erste genuin logische Schrift, deren Aufgabe darin besteht, in solchen Wettstreiten möglichst als Sieger hervorzugehen.

Wahrscheinlich stimmt es, dass die Topik die erste logische Schrift des Aristoteles ist. Aber dass sie ausschließlich zu Trainingszwecken verfasst worden ist, erscheint mir unplausibel. Immerhin nennt Aristoteles selbst insgesamt drei Dinge, wofür die Topik nützlich sei[1]. Hier wird tatsächlich Übung als erstes genannt, als zweites aber der Gedankenaustausch mit anderen, offenbar ohne Trainingssituation. Und drittens sagt er, dass die Topik auch für die Philosophie selbst nützlich sei. Anders formuliert: Die Topik soll eine Methode für erfolgreiches logisch-rationales Argumentieren überhaupt sein, egal ob in einer Übungssituation, in einer Gesprächssituation oder im Rahmen der philosophischen Forschung.

Aber der eigentliche Punkt ist doch der, dass Aristoteles offensichtlich nicht mehr einer intuitiven, ungeschulten Ausübung des rationalen Argumentierens vertraute. Vielmehr hielt er es für notwendig, darüber ausdrücklich zu reflektieren, um treffsicherer zu werden und um Fehlschlüsse zu vermeiden.

Meiner Meinung nach ist also nicht der dialektische Wettkampf als solcher der Ursprung der Logik bei den Griechen, sondern die Erkenntnis, dass das rational-logische Argumentieren seit etwa 150 Jahren zwar in der Philosophie angewendet wurde, aber immer noch nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt hat, nämlich zu der Erkenntnis von unumstößlich wahren philosophischen Wahrheiten.

[1] Aristoteles Topik, 101a.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert