Comte und der Positivismus

Auguste Comte (1798-1857) war Sprössling einer katholisch-konservativen Familie aus Montpellier. Nach seinem Studium an der Pariser École Polytechnique arbeitete er als Privatlehrer für Mathematik bis er 1818 Privatsekretär des Grafen Saint-Simon (1760-1825) wurde.[1]

Unter dem Eindruck der Wirren in Folge der Französischen Revolution strebte Saint-Simon eine Neuordnung der Gesellschaft an. Die Industrialisierung, sowie die ökonomischen Veränderungen, die sie bewirkte, begrüßte er. Seiner Meinung nach ist es vor allem die Aufgabe wissenschaftlich-technisch gebildeten Menschen, eine neue Gesellschaftsordnung hervorzubringen.

Saint-Simon beeinflusste Comte stark. Auch er meinte, dass eine Reorganisation der Gesellschaft unmittelbar bevorstünde und dass dabei die moderne Naturwissenschaft wichtig sein würde. Er glaubte ferner, dass für diesen gesellschaftlichen Umbau eine neue Wissenschaft notwendig sei, die er Soziologie nannte. Der Wissenschaft traute er also eine sehr aktive, politische Rolle zu.

Comte meinte ein „großes Grundgesetz“ gefunden zu haben, was die geschichtliche Entwicklung der menschlichen Intelligenz betrifft. In einer ersten Phase erklärt man sich die Welt theologisch oder mittels fiktiver Geschichten. Diese Phase wird irgendwann durch abstrakte oder metaphysische Welterklärungen abgelöst, bis schließlich das Stadium der „positive“ Wissenschaften kommt.

Positive Wissenschaft charakterisiert Comte erstens dadurch, dass sie empirisch ist, zweitens dass sie ihre Gesetze mittels Induktion gewinnt und drittens deren Wertfreiheit. Die Aufgabe der Wissenschaft kann es nicht sein, das Wesen der Dinge zu erkennen. Vielmehr geht es darum, die Beziehungen zwischen den erfahrbaren Tatsachen zu erkennen.

Vor allem unterscheidet sich die positive Wissenschaft von spekulativ-metaphysischer Philosophie. Nach Comte ist positive Wissenschaft „real“ im Gegensatz zu „chimärisch“, „nützlich“ im Gegensatz zu „müßig“, „gewiss“ im Gegensatz zu „unentschieden“, „genau“ im Gegensatz zu „vage“.

Positive Wissenschaft darf sich nur auf Tatsachen beziehen. Allerdings kennt er auch Tatsachen von „allgemeinerer Ordnung und abstraktem Charakter“, nämlich die Prinzipien der Logik, die man mittels der „Einbildungskraft“ erkennen könne. Andererseits geht es bei der Wissenschaft nicht nur darum, die Wirklichkeit zu beschreiben, sondern ihre Aufgabe besteht darin, allgemeine Gesetze aufzustellen, durch die das rein Empirische überschritten wird. Allerdinge meint Comte, dass die gefundenen Naturgesetze niemals den Anspruch auf absolute Gültigkeit haben können. Vielmehr schreitet die Erkenntnis stets voran und nähert sich einem idealen Grenzwert an. Die Güte von gefunden Naturgesetzen hängt davon ab, wie gut sie zur Vorhersage geeignet sind.

Ein Grundprinzip der positiven Wissenschaft ist allerdings die Annahme, dass es überhaupt unveränderliche Naturgesetze gibt. Dieses Prinzip erkennt man nach Comte aufgrund eines induktiven Schlusses.

Comte fordert, dass die Gemeinschaft der Wissenschaftler sich organisiert. Auf diese Weise soll das große Projekt einer umfassenden Wissenschaft arbeitsteilig verwirklicht werden. Die Wissenschaft als Ganzes sah er in einer Hierarchie organisiert, an deren Spitze die Soziologie steht.

Comte versuchte immer auch aktiv seine politischen Ansichten zu verwirklichen. Dazu gründete er gegen Ende seines Lebens eine „positive Religion“, deren Rituale und Liturgien eine gewisse Ähnlichkeit zum Katholizismus haben. Sich selbst sah er als Gründer und Hohenpriester dieser neuen Religion.

Hauptwerke sind:

  • Cours de philosophie positive, 1830-1842.
  • Discour sur l’esprit positif, 1844 (kann als Manifest des Positivismus gelten). Deutsch: Rede über den Geist des Positivismus. Übersetzt, eingeleitet und herausgegeben von Iring Fetscher, Felix Meiner Verlag1994.
  • Système de politique positive, 1851-1854.
  • Catéchisme positiv, 1852.
  • Philosophie positive, 1830-1842. Die positive Philosophie. Übersetzt von J.H.v. Kirchmann. Verlag von G. Weiss, 1884

 

[1] Eine ausführliche Darstellung von Comtes Philosophie findet man in  Röd [68], S. 22-34.

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