Was antike Mathematik von moderner Mathematik unterscheidet

Ich werde später noch etwas zur Entstehung der modernen Mathematik schreiben, die sich meiner Meinung nach in zwei wichtigen historischen Schritten vollzog. An dieser Stelle möchte ich vorab auf die Unterschiede zwischen antiker und moderner Mathematik eingehen.

Ein erster wichtiger historischer Schritt war die Einführung des dezimalen Stellensystems zusammen mit der Null und den arabischen Ziffern in der Renaissance. Historisch war ferner der Umbruch im Laufe des 19. Jahrhunderts wichtig. Beide Entwicklungen führten gewissermaßen zu einer anderen Mathematik.

Die heutige Mathematik ist im Vergleich zur antiken Mathematik vor allem um vieles formaler. Es gibt heute eine eigene mathematische Formelsprache, durch die sich komplizierte Sachverhalte sehr prägnant ausdrücken lassen, allerdings für mathematische Laien ein Buch mit sieben Siegeln darstellt.

Dementsprechend müssen moderne Beweise vor allem formal korrekt sein. So etwas wie Einsicht, Anschauung oder Intuition spielt in der heutigen Mathematik nur eine untergeordnete Rolle. Alle heutigen Beweise können theoretisch so dargestellt werden, dass man sie als symbolische Ausdrücke in einen Computer eingeben und überprüfen lassen könnte. Menschliche Einsicht ist auch heute noch wichtig, um Beweise zu finden, sie ist aber nicht mehr notwendig, um die Korrektheit eines Beweises sicherzustellen.

Außerdem hat die heutige Mathematik Abstriche beim Anspruch auf unumstößliche Wahrheit gemacht.  Axiome hatten in der Antike den Status von unmittelbar einsichtigen mathematischen Grundwahrheiten. In der heutigen Mathematik haben Axiome einen vergleichsweise beliebigen und hypothetischen Charakter. Man kann zunächst einmal annehmen, was man will, und je nachdem zusehen, was herauskommt. Daher können sich heutige Mathematiker mit vollkommen unterschiedlichen Arten von Theorien beschäftigen, wobei ein Bezug zur realen Welt irrelevant ist. Neben der euklidischen Geometrie gibt es die nicht-euklidische Geometrie, analytische Geometrie, Topologie etc.  Der mathematischen Phantasie sind sozusagen keine Grenzen gesetzt (außer der, dass es keinen Widerspruch geben darf), so dass heute die Mathematik einer der kreativsten Wissenschaften überhaupt ist. Jedenfalls ist die mathematische Wahrheit heutzutage deutlich relativer geworden als in der Antike.

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