Die neuzeitliche Revolution in der Astronomie
Die frühe Neuzeit wird mit einigen gravierenden Umwälzungen in Verbindung gebracht. Unter anderem werden hier Luthers Reformation oder die Entdeckung Amerikas genannt. Die zahlreichen Entdeckungsfahrten in bislang unbekannte Weltgegenden erweiterten beträchtlich das Bild, das sich die Europäer von der Erde machten. Aber auch die Vorstellung vom Universum erfuhr in der frühen Neuzeit eine immense, revolutionäre Erweiterung.
Das hat erstens mit dem heliozentrischen Weltbild zu tun, in dem die Erde ihre exklusive Stellung verlor, und zweitens mit der Erfindung des Fernrohrs, das bisher ungeahnte astronomische Himmelsgegenden visuell erschloss. So wie sich das Bild von der Erde infolge der weltweiten Seefahrt erweiterte, erweiterte sich das Bild vom Kosmos infolge des Fernrohrs.
Bevor ich die Entwicklungen, die in der Neuzeit stattfanden, schildere, werde ich mit einer Darstellung der antiken, ptolemäischen Astronomie beginnen. Es ist bemerkenswert, wie nah die antike Astronomie dem modernen Wissenschaftsverständnis war. Sie verstand sich selbst als bloß hypothetisches Berechnungsmodell mit dem Ziel, Prognosen über die künftigen Bahnen der Planeten zu machen, was man anschließend empirisch bestätigen oder falsifizieren kann. In der Antike unterschied man übrigens zwischen der Astronomie auf der einen Seite und der Physik auf der anderen Seite. Sie galten als verschiedene Wissenschaften.
Der Wechsel vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild wird oft mit Kopernikus in Verbindung gebracht. Kopernikus störte sich daran, dass das ptolemäische Modell mit einigen „unschönen“ mathematischen Annahmen verbunden ist. Er hoffte, die Berechnungen leichter und intuitiver gestalten zu können, wenn man die Sonne ins Zentrum des Kosmos stellt. So schrieb er sein schwieriges Werk De revolutionibus orbium coelestium (dt. Über die Umlaufbahnen der Himmelssphären), das postum 1543 veröffentlicht wurde. Das Ergebnis war aber mindestens so komplex wie das traditionelle System. Die Genauigkeit der Prognosen hatte sich auch nicht verbessert. Das kopernikanische System hat aber zudem den Nachteil, dass es dem offensichtlichen Augenschein widerspricht. Ein unbedarfter Mensch, der keinen modernen Physikunterricht genossen hat, würde ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass die Erde stillsteht, und dass sich die Sonne und alle Himmelskörper um uns drehen.
Wären nicht Tycho Brahe (1546-1601) und vor allem Johannes Kepler (1571-1630) gewesen, hätte sich das heliozentrische Weltbild entweder gar nicht oder mit deutlicher Verspätung durchgesetzt.
Trotz seines Konflikts mit der katholischen Kirche, war der Beitrag von Galileo Galilei (1564-1642) zur Durchsetzung des Heliozentrismus eher gering. Galilei hat mehr mit der Verwendung des frisch erfundenen Teleskops zu tun, um ein nie dagewesenes, detailliertes Bild vom Weltall zu bekommen. Er fertigte beeindruckende, wirklichkeitsnahe Zeichnung an von der Oberfläche des Mondes, den Sternen der Milchstraße, den Jupitermonden, von Sonnenflecken und den Venusphasen. Aber weder ist Galilei der Erfinder des Fernrohrs, noch ist er der erste, der es zur Beobachtung des Nachthimmels nutzte, noch ist er der Einzige, der dabei spektakuläre Entdeckungen machte. Er war schlicht sehr geschickt darin, seine Erkenntnisse schnell, graphisch gut aufbereitet und publikumswirksam in seinem Büchlein Siderius Nuncius (dt.: Sternenbote) zu veröffentlichen, und zwar 1610, also nur zwei Jahre nach der Erfindung des Teleskops durch Hans Lipperhey (1570-1619) in den Niederlanden.
Das eigentliche Genie aber war Kepler. In jahrelanger Rechenarbeit, theoretischer Intuition und dem Mut, ganz neue Wege zu gehen, erkannte er, dass die Planetenbahnen a) in Ellipsen um die Sonne liefen und das b) in einer abwechselnd beschleunigenden und abbremsenden Bewegung. Damit entledigte er sich der dogmatischen Vorstellung, dass Himmelskörper Kreisbahnen beschreiben müssen mit einer immer konstanten Geschwindigkeit, wie übrigens auch noch Kopernikus und Galilei glaubten. Damit gewann das heliozentrische Weltbild eine unbeschreibliche mathematische Eleganz, und die Prognosen verbesserten sich dramatisch. Kepler wurde mit seinen Ellipsen zu einem sehr wichtigen Wegbereiter für Newton.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!