D’Alembert und Diderot – Die Enzyklopädie

Jean-Baptiste Le Rond d’Alembert (1717-1783) und Denis Diderot (1713-1784) waren gemeinsam die Herausgeber der Enzyklopädie und gelten als typische Vertreter der französischen Aufklärung.

D’Alembert schrieb mathematische Werke und lieferte insbesondere für die theoretische Physik wichtige Beiträge. Diderot verfasste Romane und Erzählungen, schrieb über Religion, Aberglaube, Atheismus, Determinismus und Freiheit, sowie über Kunst- und Literaturtheorie; Mathematik und Physik hingegen waren nicht seine Themen.

Nachfolgend zitiere ich aus:

  • D’Alembert: Einleitung zur Enzyklopädie, Felix Meiner Verlag, 1997
  • Diderot: Philosophische Schriften. Herausgegeben von Th. Lücke, Aufbau-Verlag Berlin, 1961. Darin finden sich unter anderem:
    • Prospekt der Enyklopädie (1750)
    • Gedanken zur Interpretation der Natur (1754)
    • Philosophische Grundsätze über Materie und Bewegung (1770)
    • Elemente der Physiologie (1774-1780)

Zu empfehlen ist ferner das Buch Das vernünftige Monster von Philipp Blum und Michael Bischoff.

Zur Entstehungsgeschichte der Enzyklopädie

Der Engländer Ephraim Chambers veröffentlichte 1728 sein Werk Cyclopaedia or Universal Dictionnary of arts and sciences, eines der ersten Wörterbücher der Künste und Wissenschaften. Es konnte sich einer großen Beliebtheit erfreuen und wurde in verschiedene Sprachen übersetzt. Im Jahre 1747 sollte es auch ins Französische übersetzt werden. Denis Diderot (1713-1784) und Jean Baptiste le Rond d’Alembert (1717 – 1783) wurden damit beauftragt, sie waren jedoch der Meinung, dass es lückenhaft und verbesserungsbedürftig ist. So kamen sie auf die Idee, selbst eine umfangreiche Enzyklopädie zu erstellen, bei der eine Vielzahl von Spezialisten mitarbeiten sollten. Auch Voltaire, Rousseau und Turgot konnten sie für ihr Projekt gewinnen. 1750 kündigte Diderot mir seiner Schrift Prospekt der Enzyklopädie den Plan an, das Nachschlagewerk in acht Bänden und mit vielen Bildtafeln unter dem Titel Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences, et des arts ét des métiers zu veröffentlichen. Es beansprucht, eine kompimierte, aber zugleich umfrangreiche und möglichst lückenlose Darstellung des aktuellen Standes der Wissenschaften und Künste zu sein.

Der erste Band erschien 1751. D’Alembert schrieb die Einleitende Abhandlung der Herausgeber. Aber bereits 1752 verbot Ludwig XV. die Weiterarbeit an dem Projekt. Aber dank Unterstützer am Hofe wurde das Verbot bald wieder aufgehoben und weitere fünf Bände wurden veröffentlicht. 1757 aber wurde ein Attentat auf den König versucht, so dass sich auch das politische Klima für die Enzyklopädisten deutlich verschlechterte. Außerdem verstritten sich die Herausgeber der Enzyklopädie über einen Artikel über die Stadt Genf, den d’Alembert geschrieben hatte. Einige Mitarbeiter, darunter d’Alembert selbst, Rousseau und Voltaire verabschiedeten sich daraufhin von dem Projekt. 1759 wurde die Weiterarbeit an der Enzyklopädie erneut verboten. Nur dank dem politischen Geschick Diderots und einiger adliger Unterstützer am Hof konnten dennoch nach und nach weitere Bände veröffentlicht werden. Bis 1765 lagen siebzehn Bände, an denen insgesamt 160 Autoren mitgearbeitet hatten, der Öffentlichkeit vor; bis 1772 wurde die Enzyklopädie noch durch elf Bildbände ergänzt. Heute gilt sie als eines der bedeutendsten Werke der französischen Aufklärung.

Konzept der Enzyklopädie und Bezug auf Francis Bacon

In der Enzyklopädie soll, wie gesagt, die Gesamtheit des menschlichen Wissens systematisch und komprimiert dargestellt werden, und zwar so, dass man alles auch ohne Vorkenntnisse verstehen kann. Dabei soll „das menschliche Wissen“ nicht nur die theoretischen Wissenschaften umfassen, sondern auch die freien Künste und mechanische Handwerke.

Jede Wissenschaftliche Erkenntnis muss einen praktischen Zweck haben.

Diderot und d’Alembert berufen sich bei ihrem Projekt ausdrücklich auf Francis Bacon[1]. Bereits Bacon hat versucht, die Gesamtheit des menschlichen Wissens und Könnens systematisch zu klassifizieren und Verbindungen zwischen den verschiedenen Wissenszweigen aufzuweisen. Dabei ging es ihm vor allem um die Lücken und darum, was noch alles zu tun ist. Seine Klassifikation hatte somit den Charakter eines Forschungsprogramms, an dem, so hoffte er, über eine längere Zeit hinweg Generationen von Wissenschaftlern arbeiten sollten.

Darauf anspielend verweist d’Alembert am Anfang seiner Einleitung darauf, dass die Enzyklopädie „das Werk einer Gemeinschaft von Schriftstellern“ ist. Im Unterschied zu Bacon betonen die Enzyklopädisten, dass ihrer Meinung nach die Lücken weitestgehend geschlossen sind. Was bei Bacon noch ein Forschungsprogramm ist, ist bei d’Alembert und Diderot inzwischen ein monumentales Forschungsergebnis. „Welche Fortschritte hat man seitdem in Wissenschaft und Kunst gemacht! Wieviel Wahrheiten hat man heute herausgefunden, dem man damals noch nicht ahnte!“[2] So ist auch der Zweck der Enzyklopädie, das erreichte Wissen und Können in einigen Bänden zusammenzufassen:

„Wieviel unnötige Lektüre bliebe uns durch gute Auszüge erspart! Wir hielten also ein Wörterbuch für wichtig, das man für alle Gebiete der Kunst und Wissenschaft heranziehen könnte und das gleichzeitig diejenigen, die sich mutig genug fühlen, andere zu unterrichten, anleiten könnte, wie auch dazu, jene aufzuklären, die es zum Selbststudium benutzen.“ (Einleitung S. 92)

Die Enzyklopädisten sind, so wie Bacon, von der Nützlichkeit des Wissens überzeugt. Somit glauben sie, durch eine umfassende, ohne Vorkenntnisse verstehbare Darstellung aller Wissenschaften und Künste der Menschheit insgesamt einen wichtigen Dienst zu tun.

Diderot betont, dass in der Enzyklopädie

„[…] die Wissenschaften und Künste auf eine Weise behandelt werden, die keinerlei Vorkenntnisse verlangt; dass bei jedem Stoff das Wissenswerte dargelegt wird; dass die Artikel sich gegenseitig erklären […]. Dieses Werk, so möchten wir folgern, könnte einem Berufsgelehrten als Bibliothek dienen für alle Fächer, die er nicht selbst betreibt. Es wird die Elementarbücher ersezen, die wahren Principien der Dinge entwickeln, ihre Beziehungen hervorheben, zur Gewissheit und zum Fortschritt der menschlichen Kenntnisse beitragen, die Zahl der echten Gelehrten, der hervorragenden Künstler und der aufgeklärten Laien vermehren und folglich in der Gesellschaft neue Vorteile verbreiten.“[3]

Einen weiteren Bezug zu Bacon gibt es. Ähnlich wie der englische Philosoph wollen auch die Enzyklopädisten das menschliche Wissen in einem systematischen Zusammenhang darstellen. In der Einleitung schreibt d’Alembert, der Vorteil der enzyklopädischen Anordnung sei es, dass „man lückenlos von den ersten Prinzipien einer Wissenschaft oder Kunst bis zu ihren weitläufigsten Konsequenzen vordringen und den umgekehrten Weg von den letzten Folgerungen bis zu den ursprünglichen Prinzipien wieder zurückverfolgen kann.“[4]

Die Enzyklopädie soll eine „literarische Weltreise ohne Verirrungsgefahr“ ermöglichen; sie soll einen „Stammbaum“ bzw. eine systematische „Gesamtübersicht“ oder eine „Art Weltkarte“ des menschlichen Wissens darstellen[5]. Ebenso soll die „zeitliche Entstehung der Wissenschaften“ und Künste berücksichtigt werden[6].

Ähnlich wie Bacon gliedern auch die Enzyklopädisten das menschliche Wissen nach den drei Grundfähigkeiten des Intellekts: a) Gedächtnis, b) Vernunft und c) Vorstellungskraft (Imagination)[7]:

  1. Geschichte (Gedächtnis)
    1. Heilige Geschichte
    2. Kirchengeschichte
    3. Profangeschichte
    4. Naturgeschichte (Ansammlung empirischen Wissens)
  2. Philosophie (Vernunft)
    1. Allgemeiner Metaphysik (Ontologie)
    2. Theologie
    3. Geisteswissenschaft
      • Moral
      • Logik
      • Pneumatologie (Wissenschaft von der Seele)
    4. Naturwissenschaft
      • Metaphysik der Körper (allg. Physik)
      • Mathematik
        • Reine Mathematik
        • Gemischte Mathematik, darunter Mechanik, Astronomie, Optik
        • Physikalische Mathematik
      • Spezifische Physik, darunter Zoologie, Medizin, Meteorologie, Botanik, Chemie
    5. Einbildungskraft (Imagination)
      1. Dichtkunst
      2. Musik
      3. Malerei
      4. Bildhauerei
      5. Architektur

In der nachfolgenden Textstelle, spielt d’Alembert einerseits auf Bacons Induktion an, andererseits auf Newtons Gravitationsgesetz, von dem Newton behauptet, es durch Induktion gefunden zu haben, sowie auf dessen Maxime „hypotheses non fingo“[8]:

„Alle an diesen Körpern beobachteten Eigenschaften weisen untereinander mehr oder weniger ins Auge fallende Zusammenhänge auf. Meist ist die Erkenntnis oder das Aufspüren dieser Beziehungen das letzte Ziel, zu dem wir vordringen können, und es sollte insofern auch unser einziges sein. Nicht auf unbewiesene oder willkürliche Annahmen gründen wir also die Hoffnung auf Erkenntnis der Natur, sondern auf ein durchdachtes Studium der Erscheinungen, auf Vergleiche, die wir mit diesen anstellen, eine große Anzahl von ihnen nach Möglichkeit auf eine einzige zurückführen und diese eine Eigenschaft dann als Ursprung aller anzusetzen.“

An Bacon erinnert auch d’Alemberts Idee einer „allgemeinen Experimentalphysik“, die nichts weiter als eine „Sammlung von Versuchen und Beobachtungen“ sein soll, und von der Diderot in Gedanken zur Interpretation der Natur schreibt (VI, S. 422):

„Wenn man die unendliche Vielzahl der Naturerscheinungen mit der Begrenztheit unseres Verstandes […] zu vergleichen anfängt: kann man dann bei der Langsamkeit unserer Arbeiten […] etwas anderes erwarten als einige unzusammenhängende Bruchstücke von jener großen Kette, die alle Dinge verbindet? … Würde die experimentelle Philosophie viele Jahrhunderte lang weiterarbeiten, so wäre das von ihr angehäufte Material […] von wirklicher Vollständigkeit immer noch weit entfernt. […] Was ist also unser Ziel? Die Vollendung eines Werkes, das nie vollbracht werden kann und das weit über die menschliche Intelligenz gehen würde, wenn es vollendet wäre. […] Ich gestehe dieser Forschung [der experimentellen Physik] aber Jahrhunderte zu, weil die Sphäre ihrer Nützlichkeit weitaus größer ist als irgendeiner abstrakten Wissenschaft und weil sei unstreitig die Grundlage unserer echten Kenntnisse bildet.“

In der nachfolgenden Textstelle spielt Diderot auf Bacons Vergleich induktiv vorgehender Wissenschaftler mit Bienen an, die er von den planlos vorgehenden Empirikern, den Ameisen, und den realitätsfernen, dogmatischen Rationalisten, den Spinnen gegenüberstellt[9]:

„Noch sind die Menschen kaum soweit, um wahrzunehmen, wie streng die Gesetze der Erforschung der Wahrheit sind und wie begrenzt unsere Mittel sind. Alles läuft darauf hinaus, dass wir von den Sinnen zur Reflexion und von der Reflexion zu den Sinnen zurückkommen müssen. Unaufhörlich […]: das ist gewissermaßen die Arbeit der Biene.“

Hier noch weitere Textstellen, in denen Diderot eine umfassende, sorgfältige Beobachtung und „Befragung“ der Natur propagiert und davor warnt, sich voreilig von den empirischen Tatsachen abzuwenden und sein Heil in theoretischen Überlegungen zu suchen:

„Wir haben drei Hauptmittel: Naturbeobachtung, Reflexion und Erfahrung. Die Beobachtung sammelt die Tatsachen; die Reflexion kombiniert sie; die Erfahrung prüft das Ergebnis der Kombination. Die Naturbeobachtung muss unablässig, die Reflexion tief und die Erfahrung genau sein.“[10]

„Die Tatsachen […] sind der eigentliche Reichtum des Philosophen […] Die rationale Philosophie befasst sich leider viel mehr mit dem Vergleichen und Verbinden der Tatsachen, über die sie verfügt, als mit dem Sammeln neuer Tatsachen.“[11]

„Leider ist es leichter und weniger umständlich, sich selbst zu befragen als die Natur. Darum neigt die Vernunft dazu, bei sich selbst zu bleiben, […]“[12]

Diderot lehnt die Mathematisierung der Natur ab

Seit den Zeiten, als Galilei behauptete, dass das Buch der Natur in Buchstaben der Natur geschrieben sei, vertraten viele Naturwissenschaftler und Philosophen eine Auffassung, die ich Mathematisierung der Natur genannt habe. Der gemäß ist das immanente Wesen der Wirklichkeit mathematisch. Diderot hingegen opponiert vehement gegen diese Auffassung. Einerseits scheint er einen sensualistischen Positivismus zu vertreten, bei dem er nur gelten lässt, was unmittelbar sinnlich erfahrbar ist, und dahinter liegende, unsichtbare Ursachen als metaphysisch ablehnt[13]. Andererseits hält er insbesondere den Anspruch der Mathematik, in den innersten Wesenskern der Natur blicken zu können, für unberechtigt. So schreibt er in Gedanken zur Interpretation der Natur[14]:

„[D]as Reich der Mathematiker ist eine intellektuelle Welt, und was man dort für unbedingte Wahrheiten hält, verliert diesen Vorzug in vollem Umfang, sobald man es auf unsere Erde überträgt. […] Daraus ist zu ersehen, dass die Mathematik […] ohne die Erfahrung zu nichts Genauem führt; dass sie eine Art allgemeine Metaphysik, in der die Körper ihrer individuellen Eigenschaften beraubt sind, und dass wenigstens noch ein großes Werk zu schreiben wäre, das man ‚Anwendung der Erfahrung auf die Mathematik‘ oder ‚Abhandlung über die Abweichung der Maße‘ nennen könnte.“

Diderot lehnt also die Annahme, die z.B. Galilei, Descartes, Huygens, Newton und Euler machten, ab, dass man die Mathematik ohne Weiteres für die Naturerkenntnis nutzbar machen könne.  Und in den Philosophischen Grundsätze über Materie und Bewegung wendet sich Diderot, dagegen, den Körpern alle Qualitäten abzusprechen und sie stattdessen auf das rein Quantitative zu reduzieren[15]:

„Nach der Ansicht einiger Philosophen ist der Körper von sich aus ohne Wirkung und ohne Kraft.‘ Dies ist ein schrecklicher Trugschluss […]. Von sich aus, gemäß der Natur seiner wesentlichen Eigenschaften, ist der Körper […] voll Wirkung und Kraft.

‚Um sich die Bewegung vorzustellen‘, fügen sie hinzu, ‚müssen Sie sich außer der vorhandenen Materie eine Kraft vorstellen, die auf sie wirkt.‘ So liegen die Dinge nicht. Das Molekül, versehen mit einer seiner Natur entsprechenden Eigenschaft, ist doch von sich aus eine aktive Kraft. […] All jene Trugschlüsse hängen mit der falschen Annahme einer homogenen Materie zusammen. Können Sie sich denn […] das Feuer in Ruhe vorstellen? Alles in der Natur hat seine besondere Wirkung wie diese Ansammlung von Molekülen, die Sie ‚Feuer‘ nennen. In dieser Ansammlung, die Sie ‚Feuer‘ nennen, hat jedes Molekül seine eigene Natur und seine eigene Wirkung.

[…] Was gehen mich die Dinge an, die in Ihrem Kopf vorgehen? Was liegt mir daran, ob Sie – von ihren Eigenschaften absehend – nur ihre Existenz betrachten und sie deshalb in Ruhe sehen? […] Sie mögen mit der Mathematik und Metaphysik machen, soviel Sie wollen; aber ich, der ich Physiker und Chemiker bin, also die Körper in der Natur, nicht aber in meinem Kopf erfasse, finde sie als existierende Körper vor: verschieden, mit Eigentümlichkeiten und Wirkungen versehen und überall Tätigkeit, sowohl im Weltall wie im Laboratorium.“

Recht besehen fühlt man sich sogar an Aristoteles erinnert. Demgemäß jeder Naturgegenstand seine eigene wesentliche Qualität und ihm eigentümliche Bewegung hat, jedenfalls die wahre Naturerkenntnis nicht quantitativ-mathematisch ist.

D’Alembert und die Mathematik

D’Alembert scheint dieser strikten Ablehnung der Mathematik für die Naturwissenschaft nicht so stark zu folgen, immerhin ist er selbst hervorragend mathematisch gebildet und hat wichtige Beiträge für die mathematische Physik geliefert.

So beschreibt d’Alembert zunächst[16], wie die Geometrie von allen „sinnfälligen Eigenschaften“ der Materie abstrahiert und man von der Geometrie zur Mechanik gelangt, indem man neben den mathematisch-geometrischen Eigenschaften der Materie nur noch die Dichtigkeit zugesteht[17] und setzt fort[18]:

„Nach unserer endgültigen Rückkehr in die Welt der Körper werden wir nun bald gewahr, wie wir die Geometrie und Mechanik anwenden können, um zu den vielseitigsten und tiefsten Erkenntnissen über die Eigenschaften der Körper zu gelangen.“

Anschließend beschreibt er, welch großen Nutzen die mathematischen Kenntnisse bei der Anwendung auf die Astronomie und überhaupt in der Physik gebracht haben. Ferner lobt er den hohen Grad der mathematischen Gewissheit[19]: „Nur die Algebra, die Geometrie und die Mechanik […] kann man, genaugenommen, als beglaubigt und bewiesen anerkennen.“ Alle anderen Wissenschaften könnten nur einen geminderten Grad der Gewissheit erlangen.

Auf der anderen Seite warnt d’Alembert vor einem „Missbrauch“, „den die Mathematiker gelegentlich mit der Anwendung der Algebra auf die Physik treiben.“ Und setzt seine Kritik wie folgt fort[20]:

„Sogar die Heilkunde hat man auf Formeln bringen wollen; und der so verwickelte Organismus des menschlichen Körpers ist von unsern algebra-besessenen Medizinern wie eine unkomplizierte und ganz leicht zerlegbare Maschine behandelt worden. […] Wir wollen also an die meisten dieser Berechnungen und unbewiesenen Vermutungen einfach mit Vernunft und Vorsicht herangehen wie an gedankliche Spielereien, denen sich die Natur durchaus nicht zu unterwerfen braucht; […]“

Obwohl in der theoretischen Physik die „Anwendung der mathematischen Analyse auf die Erfahrungstatsachen“ durchaus nützlich ist, warnt d‘Alemnbert davor, die mathematische Methode blind in allen Wissenschaften anwenden zu wollen. Selbst in der Physik hält er neben dem theoretisch-mathematischen Zweig den experimentellen, nicht-mathematischen Zweig für sehr wichtig, ähnlich wie es auch Diderot tut. D’Alembert, und noch mehr Diderot, lehnen einen konsequenten Mechanismus ab, genauso wie sie eine konsequente Mathematisierung der Natur ablehnen. Ihr Wissenschaftsmodell orientiert sich auch hier mehr an dem nicht-mathematischen Empirismus Bacons.

[1] Prospekt, S. 117 und Einleitung, S. 46.

[2] Einleitung, S. 92.

[3] Prospekt, S. 127.

[4] Einleitung, S. 93.

[5] Einleitung, S. 40 und S. 42.

[6] Einleitung, S. 43.

[7] Einleitung, S. 44.

[8] Einleitung, S. 20.

[9] Bacon: Novum Organon, IX, S. 424.

[10] Bacon: Novum Organon, XV, S. 428.

[11] Bacon: Novum Organon, XX, S. 429.

[12] Bacon: Novum Organon, X, S. 424.

[13] siehe Diderot: Elemente der Physiologie, S. 715.

[14] Bacon: Novum Organon, II, S. 419 f.

[15] Diderot: Philosophischen Grundsätze über Materie und Bewegung, S. 584-587.

[16] Einleitung, S. 18.

[17] Einleitung, S. 19.

[18] Einleitung, S. 20.

[19] Einleitung, S. 24.

[20] Einleitung, S. 22.

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