Philosophie: Herrin oder Dienerin der Naturwissenschaften?
Bis Descartes war die Naturwissenschaft nur ein Untergebiet der Philosophie. Danach gingen beide eigene Wege. Die Wissenschaftler verbesserten die mathematischen Methoden und gewannen neue empirische Erkenntnisse. Die Philosophie beanspruchte aber immer noch, ein letztgültiges Fundament für das Treiben der Naturwissenschaft liefern zu können.
Anfang des 18. Jahrhunderts stritten noch Philosophen und Naturwissenschaftler gleichermaßen darüber, wie genau die neuen Newtonschen Physik zu verstehen ist. Gibt es wirklich einen absoluten Raum? Wie sind fernwirkende Kräfte vorstellbar? Bzw. ist das ein Rückfall in mittelalterlicher, unwissenschaftliche Erklärungsmuster? Irgendwann aber flauten diese Diskussionen ab und man gewöhnte sich daran, dass die Newtonsche Physik einfach gute Ergebnisse liefert. Gerade auch aufgrund der Fruchtlosigkeit der naturphilosophischen Dispute, wandten sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts die Naturwissenschaftler immer mehr von philosophischen Fragestellungen ab, und blieben lieber bei ihrer Mathematik und ihren empirischen Beobachtungen. Davon unbeeindruckt meinten die Deutschen Idealisten, d.h. insbesondere Schelling und Hegel, aber auch noch Schopenhauer, der Naturerkenntnis einen klar umrissenen Platz in ihren philosophischen Systemen zuweisen zu können, samt einer oberhoheitlichen Interpretation. Aus naturwissenschaftlicher Sicht war das eine unerträgliche Anmaßung. Nach dem Tode Hegels im Jahr 1831 wurde die Philosophie endgültig entthront, zumal die Naturwissenschaft beeindruckende Erfolge ohne philosophische Beteiligung feiern konnte. Das neue mechanistisch-materialistische Weltbild zusammen mit einem Wissenschaftsauffassung, die weitgehend Newtons empiristischen Modell folgt, wurde nun zum allgemeinen weltanschaulichen Standard der Naturwissenschaftler. Helmholtz und Kirchhoff sind Beispiele dafür.
Natürlich entwickelte sich die Philosophie weiter. Das waren einerseits Ansätze, die von der Naturwissenschaft schlicht ignoriert wurden. Andererseits entstanden scientistische Philosophien, die ausdrücklich Bezug nahmen auf den außerordentlichen Erfolg der Naturwissenschaften. Hier ist vor allem der Empirist John Stuart Mill zu nennen, sowie die Positivisten Auguste Comte und Herbert Spencer.
Insofern sind im Laufe der Neuzeit drei Formen des Empirismus entstanden. Mit Francis Bacon begann der erste, induktive Empirismus als eine gegen Aristoteles gerichtete Wissenschaftsauffassung. Bacon verwarf die Deduktion als ungeeignete wissenschaftliche Methode, und meinte durch eine neue induktive Methode die Wissenschaft nachhaltig reformieren zu können. John Locke und David Hume verwarfen die Induktion, dafür glaubten sie durch die Untersuchung der subjektiven Bewusstseinserlebnisse dem Erkennen ein festes Fundament geben zu können. Man könnte das einen Bewusstseins-Empirismus nennen. Den Empirismus, den Mill, Comte und Spencer um die Mitte des 19. Jahrhunderts vertraten, will ich scientistischen Empirismus nennen. Denn sie orientierten sich stark an den Methoden der Wissenschaften, so wie sie gerade praktizierte wurden, interpretierten sie und projizierten diese Interpretation auf die ganze neuere Wissenschaftsgeschichte seit Galilei. Diese Empiristen sahen ihre Aufgabe darin, die Methoden der tatsächlichen Naturwissenschaften zu beschreiben, ihren Zusammenhang aufzuklären und eventuelle fehlende Teile selbst zu ergänzen. Und als fehlend wurden hier vor allem die gesellschaftswissenschaftlichen Wissenschaften angesehen. Auf diese Weise wurden z.B. Mill und Comte wichtige Wegbereiter oder sogar Begründer der Volkswirtschaftslehre und der Soziologie. Da ihnen wohl klar war, dass diese Wissenschaften sich niemals rein mechanistisch erklären lassen würden, gingen sie über das damals dominierende mechanistische Weltbild der Naturwissenschaftler hinaus.
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