Die neuzeitliche Revolution in der Physik

Ich habe bereits einiges dazu gesagt, wie die wissenschaftliche Revolution in der frühen Neuzeit vorbereitet wurde. In den nachfolgenden Beiträgen beschäftige ich mich mit dem Atomismus, Galileis neuer Wissenschaft, sowie Physikern wie Huygens und Newton.

Ab dem Hochmittelalter erlernte ein immer größerer Teil der Bevölkerung die Rechenkunst mit arabischen Ziffern. Der Buchdruck ab 1450 förderte dies noch. Außerdem wurden zahlreichen antike Werke über Geometrie übersetzt und gedruckt.  Händlern und Kaufleuten war der Nutzen der Mathematik schon immer klar. Im Laufe der Renaissance entstand zudem eine Klasse von praktisch orientierten Künstler-Ingenieuren, Malern, Bildhauern, Architekten, Kanal- und Festungsbauern, die verstanden, wie wichtig und unentbehrlich für sie die Mathematik ist. Jedenfalls kam es zu einem grundlegenden Wandel der europäischen Kultur, sie „mathematisierte“ sich. Die Menschen begannen, mathematische Strukturen den Dingen a) als wesentlich und b) als immanent anzusehen. Der Punkt a) richtet sich letztlich gegen Aristoteles, da er die Mathematik für die Naturerkenntnis als ungeeignet erachtete. Der Punkt b) richtet sich gegen Platon, weil er das Mathematische in einen von der empirischen Wirklichkeit getrennten Ideenhimmel verlegte.

Dazu im Gegensatz übrigens bezeichnete sich jeder Renaissance-Philosoph, der die Mathematik in den Naturwissenschaften für unentbehrlich hielt, selbst als „Platoniker“. Und nicht selten wurde der Platoniker Archimedes als großer Vorläufer der eigenen neuen Wissenschaft angesehen. Das war aber sicher ein Missverständnis. Denn ein wesentliches Merkmal der antiken Platoniker, auch des Archimedes, war die fundamentale Geringschätzung der empirischen Wirklichkeit. Sie wurde als etwas gesehen, das ihrem Wesenskern nach grundverschieden ist von der perfekten Welt der Mathematik und der Ideen. Die Dinge strebten danach, wie vollkommene Ideen zu sein, ahmten die Ideen nach, – blieben aber immer von ihnen verschieden. Die Mathematisierung der Natur in der Renaissance bedeutete hingegen gerade, dass man begann, den Unterschied zwischen unvollkommener Realität und vollkommener Mathematik zu vernachlässigen. Die Approximation wurde hoffähig. Die ideale, perfekte Mathematik galt nun als wesentliche, inneren Struktur der Wirklichkeit. Noch heute kann man das an unserem landläufigen (nicht wissenschaftstheoretisch verwendeten) Begriff des Naturgesetzes erkennen. Das physikalische Naturgesetz muss erstens mathematisch formulierbar sein, zweitens ist es – irgendwie – in der Natur selbst wirksam; es ist innerhalb der Wirklichkeit angesiedelt, nicht außerhalb.

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