Mathematiker Bernd Simeon über Computermodelle

Der Mathematik-Professor Bernd Simeon hat ein Buch geschrieben mit dem Titel Die Macht der Comuptermodelle: Quellen der Erkenntnis oder digitale Orakel? Nachfolgend ein Interview mit ihm, das auf YouTube veröffentlicht wurde.

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Wenn ich mich mit Menschen über Wissenschaft unterhalte, dann habe ich immer wieder den Eindruck, dass viele die Wissenschaft für einen Hort unanfechtbarer, absolut gültiger Wahrheiten halten. Die Phrase “Die Wissenschaft sagt …” oder “Die allermeisten Wissenschaftler sind der Meinung, dass …”, wird gleichgesetzt mit: Daran darf man nicht zweifeln.

Tatsächlich war, historisch gesehen, das Wissenschaftsverständnis lange genau so. In der Antike, im Mittelalter und selbst in der frühen Neuzeit galt es als Ziel der Wissenschaft, zu unumstößlich wahren Erkenntnissen zu gelangen. Woran man noch zweifeln kann, wurde somit gerade als nicht wissenschaftlich angesehen. Wie ich in diesem Blog zeigen möchte, meinten selbst Galilei, Newton und andere frühen Physiker, dass ihre mathematische Naturwissenschaft absolut und unanzweifelbar wahr ist. Das war, wie gesagt, sehr lange der Anspruch der Wissenschaft.

Erst im Lauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich allmählich das hypothetische Wissenschaftsverständnis durch, d.h.  die Auffassung, dass Wissenschaft immer nur hypothetisch sein kann und somit den Anspruch auf absolute Wahrheit nicht erfüllen kann. Das war eine schwere und durchaus schmerzhafte Transformation. Bemerkenswert ist, dass dieser Prozess stark von der Mathematik beeinflusst wurde. Wie genau, will ich in späteren Blog-Beiträgen genauer erörtern. Vorab sei erwähnt, dass hierbei der zunehmende Formalismus in der Mathematik, als auch die Entstehung der nicht-euklidischen Geometrie eine Rolle gespielt hat. Wichtige Persönlichkeiten, die zu einem hypothetischen Wissenschaftsverständnis im 19. Jahrhundert beigetragen haben, sind unter anderem: C.G.J. Jacobi, Maxwell, Carl Neumann, G.R. Kirchhoff, L. Boltzmann , der späte Helmholtz, Poincaré und Ernst Mach.

Wissenschaftstheoretisch ist Pierre Duhem mit seinem Buch Ziel und Struktur der physikalischen Theorien (1906) zu nennen, die Arbeiten des Wiener Kreises, als auch Karl Poppers Logik der Forschung (1934).

Man sieht daran, dass das moderne, hypothetische Wissenschaftsverständnis überraschend jung ist. Insofern ist es vielleicht verzeihlich, wenn auch heute noch manch einer mit dem Begriff “wissenschaftlich” den Anspruch auf absolute Wahrheit verbindet. Das gilt insbesondere auch von wissenschaftlichen Computermodellen. Sie sind sicherlich hilfreich und ihre Ergebnisse sind hochinteressant. Wie man es aber auch dreht und wendet, letztlich entwerfen sie immer nur eine hypothetische Sicht auf die Wirklichkeit, die möglicherweise stimmt, möglicherweise aber auch nicht. Und in jedem Fall müssen sie mit einer gewissen Vorsicht verstanden werden.

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